Grim Bd. 1 - Das Siegel des Feuers by Gesa Schwartz

Grim Bd. 1 - Das Siegel des Feuers by Gesa Schwartz

Autor:Gesa Schwartz
Die sprache: deu
Format: mobi
Herausgeber: Egmont vgs Verlagsgesell.
veröffentlicht: 2011-06-08T22:00:00+00:00


Kapitel 28

Das Licht in Mias Hand beleuchtete einen schmalen Korridor. Einfache Nischen waren zu beiden Seiten in den Tuff gehauen. Sie stapelten sich übereinander und waren teilweise mit Marmorplatten verschlossen. In anderen lag feiner brauner Staub wie flockiges Mehl.

»Nicht nur Paris ist unterhöhlt wie ein Schweizer Käse«, sagte Grim leise, »sondern auch Rom. Ein Geflecht aus Gängen und Tunneln von mehreren Hundert Kilometern Länge erstreckt sich unterhalb dieser Stadt – und der größte Teil ist unerforscht.«

Mia räusperte sich und erschrak. Ihre Stimme hatte allen Klang verloren. Jeder Nachhall, jeder Ton wurde sofort von den dunklen Wandnischen aufgesogen. Misstrauisch besah sie sich die Öffnungen genauer und entdeckte ein helles Holzstück, das in einer der Kammern lag. Sie hatte schon die Hand ausgestreckt, als sie erkannte, dass es keineswegs Holz war: Es war ein Knochen. Mia wich zurück.

Remis schwirrte in die Mitte des Ganges und schaute von links nach rechts, als befürchtete er, dass etwas aus der Dunkelheit schnellen und ihn packen könnte. »Wir sind in den Katakomben«, flüsterte er. »Die Menschen haben sie lange Zeit als Friedhöfe benutzt … Heiden, Juden, Christen …«

Grim trat einen Schritt vor. »Und sie haben Spuren hinterlassen.«

Prüfend ließ er seinen Blick über die Wände wandern. Mia zog die Schultern an. Ihr kam es vor, als würden die unsichtbaren Toten nur darauf warten, etwas Lebendiges in die Finger zu bekommen – und wenn es nur eine Stimme war.

Grim deutete auf ein seltsames Zeichen an der Wand. Es zeigte einen Fisch. »Christen«, murmelte er. »Aber nicht nur ihre Spuren finden sich in diesen Gängen. Er fuhr mit den Fingern über den Fisch, ohne ihn zu berühren. Silberne Funken fielen von seiner Klaue, und als er sie sinken ließ, schimmerte unter dem eingeritzten Fisch eine Sonne. Mia trat näher.

»Was bedeutet das?«

Grim sah sie an. »Die Sonne ist in meinem Volk ein Zeichen der Hoffnung – der sinnlosen Hoffnung selbstverständlich, denn kein Gargoyle wird die Sonne jemals leibhaftig zu Gesicht bekommen. Dennoch sehnen wir uns danach. Die Sonne ist ein Symbol für all das, was wir verloren haben.« Er schaute den Korridor hinab, der sich am Ende in der Dunkelheit verlor. »Thyros ist untergegangen mit all seinem Glanz. Aber die Stadt ist nicht verloren.«

Entschlossen schritt er den Gang hinab. Mia folgte ihm, wie er furchtlos in die Finsternis ging, und ihr wurde bewusst, dass nur sie auf das Licht in ihrer Hand angewiesen war. Remis leuchtete aus sich selbst heraus, und Grim hatte Augen, mit denen er sogar in schwärzester Nacht besser sehen konnte als eine Katze. Zielsicher bewegte er sich durch die Gänge, fand immer wieder das Zeichen der Sonne und schien genau zu wissen, wohin er gehen musste. Sie selbst hingegen hatte schon bald jegliches Zeitgefühl verloren. Sie lauschte auf ihre Schritte, doch jeder Ton wurde aufgesogen und hinterließ nichts als die Stille um sie herum.

Sie folgte Grim über Treppen einige Etagen tiefer, es ging durch schmale Gänge, gewölbte Kammern und flirrende Portale, doch immer lagen auf der anderen Seite weitere Korridore, die sie nur tiefer in den Bauch von Rom führten.



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